Institut für Soziale Nachhaltigkeit

Wie wir uns die Zukunft zurückerobern

Geht das überhaupt, die Zukunft zurückzuerobern? Geht es nicht eher darum, Lust auf Zukunft zu machen, gegen all das Rückwärtsgewandte, die Nostalgie oder gar die Apokalypse? Nun, Milo Rau hat sogar sein letztes Buch so genannt: Die Rückeroberung der Zukunft. Es steht in einer langen und länger werdenden Reihe von Veröffentlichungen, denen man anmerkt, dass ihre Autoren, unter ihnen Carsten Brosda, Ullrich Fichtner, Petra Pinzler, Florence Gaub, die allgemein gewordene schlechte Laune nicht mehr ertragen wollen.

 

Ja, gewiss, für etwas mehr Zukunftsmut könnte auch die Regierung helfen. Wenn sie weniger Durcheinander vermittelt als die letzte. Und wenn sie die konkreten Alltagsprobleme spürbar angepackt und verbessert – im Volksmund: wenn sie „liefert“. Doch genau das findet ja permanent statt und auch unter er letzten Regierung. Niemand musste frieren, als das Gas aus Russland nicht mehr kam. Die Inflation ist wieder im Griff. Der Niedriglohnsektor nimmt ab. Doch das und anderes mehr geht unter im Meer der fehlenden Orientierung und wird durch die nächsten Probleme abgelöst. Den Politikern geht es ja nicht anders. Besser kommunizieren, die komplexen Zusammenhänge besser erklären, die Zielkonflikte aufzeigen, all das tut Not, doch der entscheidende Hebel liegt woanders.

 

Als ich noch in einer Organisationsberatung gearbeitet habe, gab es zwei idealtypisch voneinander unterschiedene Ansätze, die Probleme unserer Kunden zu lösen. Der erste Ansatz bestand darin, das Problem genauestens zu analysieren, um auf dieser Basis passende Lösungen zu entwickeln. Der zweite Ansatz verlangte, sogleich die mögliche Lösung, also einen erstrebenswerten veränderten Zustand in der Zukunft, in den Blick zu nehmen und möglichst konkret und plastisch auszumalen, um die Energie darauf zu richten, wie man dort hinkommen könnte. Später habe ich meinen Studierenden im Studiengang Beratung und Vertriebsmanagement den Ansatz der Lösungsorientierten Beratung nahezubringen versucht, der genau diese zweite Vorgehensweise auch in der psychosozialen Beratung empfiehlt.

 

Der Hintergrund für diese Empfehlung wurde 1992 von Peter Gabriel besungen: “Digging in the dirt”. Wer sich erst einmal in seine Probleme vertieft, der verliert leicht die Energie, die für eine Lösung benötigt wird. Er gräbt sich immer tiefer ein. Ein positives Zukunftsbild kann dagegen genau die Energie auslösen, die die Lösung verlangt. So wie die Vorstellung, die Kinder sollten es einmal besser haben, früher viele Elterngenerationen angetrieben hat und heute viel weniger, weil sie nicht mehr an eine bessere Zukunft glauben. In diesen Lösungen steckt die Problembearbeitung dann automatisch mit drin.

 

Florence Gaub schreibt: “Wenn wir in Nichtregierungsorganisationen, Schulen, Universitäten, Unternehmen, als Künstler, Schriftsteller und Bürger zusammenkommen und über die verschiedenen Zukünfte sprechen und darüber, wie wir sie erreichen können, hilft das (…) die Zukunftsmaschine neu zu starten.” Alle sollen mitmachen. Am besten, wenn es eine Religionsgemeinschaft ist, zusammen mit den Tierschützern, der Sportverein mit dem Asylarbeitskreis, oder zufällig aus dem Einwohnerregister gezogene Bürgerinnen und Bürger auf Einladung einer Bürgerstiftung. Hauptsache raus aus den virtuellen und analogen Blasen, hinein in das neue Wir.

 

Viele sind schon dabei, viele weitere können gewonnen werden. Wie das gelingen kann stelle ich hier hier zur Diskussion.

 

Außerdem dazu hier mein Gespräch mit „Mit Herz und Haltung“.

 

Für jeden Rat danke ich: Stefan Bergheim, Carsten Brosda, Naika Foroutan, Anne Gidion, Christopher Gohl, Ernst-Wilhelm Gohl, Andreas Greve, Frauke Heiligenstadt, Karl Jüsten, Elisabeth Kamps, Florian Kling, Jörg Kraus, Ralf Langen, Dorothee Martin, Dirk-Ulrich Mende, Bertold Meyer, Kathrin Michel, Max Neufeind, Leonard Novy, Will Ritzrau, Marc Saxer, Marian Schreier, Lisa-Marie Singer, Berthold Vogel, Emily Vontz, Per Wiek, Jens Zimmermann. Die Schlussfolgerungen verantworte ich, bis auf weiteres, selbst.

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